Wie ist es, in Donington vor Heimpublikum Rennen zu fahren?
„Es ist sehr speziell für mich, weil ich in England begonnen habe Rennen zu fahren und hier in Donington bestritt ich 2003 mein erstes Straßenrennen in der britischen 125cc Meisterschaft. Rennen auf dieser legendären Rennstrecke zu fahren, bringt viele Erinnerungen mit sich. Die britischen Fans sind sehr begeisterungsfähig und kommen auch bei schlechtem Wetter zahlreich an die Strecke. Zudem ist es dieses Jahr das erste Rennen, an welches meine Familie kommt, was mich besonders freut.“
Donington Park liegt dem Kawasaki Racing Team und in der Vergangenheit konnte man hier Siege feiern. Was denkst du über die Strecke?
„Ich mag die Strecke, sie fühlt sich jedoch wie nach zwei Hälften an. Die erste passt nicht ganz zur Zweiten. Zuerst ist sie sehr schnell und flüssig, dann technischer und von Start und Stopp geprägt. Man muss seinen Fahrstil also an diese zwei Hälften anpassen. Und auch das Setup des Bikes ist nicht ganz einfach: es muss sehr stabil bei harten Bremsmanöver sein, jedoch auch sehr handlich um schnell die Richtung zu wechseln.
Zu all dem kommt dann noch das Wetter – wir müssen also bereit sein, um uns schnell auf die aktuelle Situation anpassen zu können. Donington ist die Strecke in der Saison mit dem schlechtesten Grip, wenn es nass ist. Gerüchte schreiben dies dem Kerosin zu, welches von Flugzeugen stammt, welche in unmittelbarer Nähe starten. Ich selber denke, dass es einfach der Asphalt ist, welcher sich von anderen Strecken unterscheidet. In Misano und Sepang wurde der Belag erneuert, was sie im Kalender zu den griffigsten Kursen bei Regen macht.
Mit den paar blinden Stellen, vor allem vor den „Craner Curves“, muss man die Strecke wirklich gut kennen, um eine gute Rundenzeit zu erreichen. Es ist eine dieser Strecken, welche sehr viel Spaß machen wenn es passt, aber auch sehr frustrierend sein können, wenn es nicht so klappt, wie man gerne möchte. Je härter man es versucht, desto langsamer wird man – rund und flüssig zu fahren, ist hier der Schlüssel zu schnellen Runden.“
Gibt es mehrere Überholmöglichkeiten?
„Ja es gibt mehrere gute Überholmöglichkeiten: da sind die beiden harten Bremszonen in der „Melbourne Loop“ und „Goddarts“, wo man auf der Innenseite angreifen und dann davonziehen kann. Dann gibt es Stellen, an welchen man einen sogenannten „Block Pass“ macht, man fährt neben den Konkurrenten und hält seine Linie, dies geht bei „Old Hairpin“ und „Maclean’s“. Bei der Einfahrt in die „Foggy Esses“ geht es ebenfalls, braucht aber viel Mut, da die Schikane im dritten Gang gefahren wird.
Erst vor kurzem bist du von Sepang nach Hause gekommen – wie hast du deine knappe, kostbare Zeit genutzt?
„Ich bin in der Nacht vom Montag nach den Rennen nach Hause gekommen und habe mich am Dienstag so richtig vom Jetlag erholt. Mittwoch und Donnerstag habe ich dann auf dem Rennrad trainiert, das ist meine Passion. Jedes Mal, wenn ich auf das Rad steige, um ein paar Kilometer zu fahren, ist es Training und Erholung zugleich für mich. Nach Sepang hatte ich zudem Zeit für ein weiteres meiner Hobbies, das Motocross fahren. So verbrachte ich auf der Isle of Man ein paar Tage auf einer neuen MX Strecke mit meiner KX450F.
Bei den Überseerennen ist meine Familie in der Regel nicht dabei. Wenn ich dann zurück bin, verbringe ich gerne Zeit mit den Kindern und kümmere mich um sie. Ich habe eine recht gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben gefunden – an den Rennen bin ich voll fokussiert und freue mich darauf, danach die Familie wieder zu sehen. Meine Frau und die beiden Jungs kommen an einige der Rennen in Europa mit und wir erleben die Erfolge gemeinsam.
Wenn wir zu Hause sind, kochen meine Frau und ich sehr gerne. Während ich am liebsten ein Stück Fleisch vom Grill und ein wenig Gemüse als Beilage habe, kocht meine Frau immer wieder Neues aus verschiedensten Ländern – ich liebe ihr grünes Thai Curry. Es kann schon einmal vorkommen, dass wir uns gegenseitig überbieten wollen und am Schluss zu viel essen. Ein Tag mit einem guten Essen und einem Glas Wein zu beenden, ist sicher eine der besten Möglichkeiten.“
Kürzlich wurde bekanntgegeben, dass du deinen Vertrag mit Kawasaki um zwei weitere Jahre verlängert hast. Wie passt dies in deine langfristige Karriereplanung?
„Es war für mich eine einfache Entscheidung, die Zusammenarbeit mit Kawasaki zu verlängern. 2017 wird mein zehntes Jahr in der WSBK sein und ich denke, dass ich sehr gut selbst entscheiden kann, was das Beste für mich ist. Als ich das erste Mal die Ninja ZX-10R fuhr, war dies wie eine Hochzeit für mich. Ich war sofort eins mit dem Bike und fühlte, dass ich mit diesem die Weltmeisterschaft gewinnen kann. Um ganz ehrlich zu sein, nach meinem ersten Turn war ich überzeugt, dass ich gewinnen kann – ein klares Statement von jemandem, der als „fast“ Fahrer der Superbike Weltmeisterschaft bekannt war.
Nach einem solch erfolgreichen ersten Jahr war es klar, dass ich mit Kawasaki über unsere Zukunft geredet habe. Wir haben schon früh damit begonnen, zu besprechen, was die nächsten Schritte mit dem Kawasaki Racing Team (KRT) sein könnten. Am Ende der letzten Saison war für mich klar, dass ich in dieser Rennserie bleiben und weiter an Bekanntheit gewinnen möchte, und dies optimalerweise mit dem gleichen Team.
In dieser Rennserie gibt es sehr talentierte, sehr ambitionierte und sehr realistisch denkende Fahrer. Ich glaube, dass dies alles auf mich zutrifft, besonders realistisch zu denken war für mich während meiner WSB Karriere sehr wichtig. Es dauerte seine Zeit und brauchte Geduld, bis ich den besten Platz erhalten habe und jetzt ist es an der Zeit für mich, diesen optimal zu nutzen.
Meine Beziehung zum Team und auch zu Kawasaki ist sehr gut. Am Anfang wurde ich verständlicherweise als „der Neue“ behandelt, aber inzwischen habe ich mich eingelebt und meine Leistung wurde von Kawasaki gewürdigt. Ich habe den Präsidenten von Kawasaki Heavy Industries kennengelernt, was für mich eine große Ehre ist, und konnte die Produktion der Kawasaki Motorräder in Akashi besuchen. Das waren unvergessliche Erlebnisse für mich.
Nach den Rennen in Laguna Seca durfte ich Motocross Fahrer Jeremy McGrath kennenlernen, einer meiner „Helden“, und mit ihm zusammen trainieren. Es sind Dinge wie diese, welche in einem solch harten Geschäft den Unterschied und unsere Zusammenarbeit besonders machen. Wir Fahrer riskieren und opfern sehr viel für den Rennsport. Auf diesem Level ist der gegenseitige Respekt zwischen Team und Fahrer sehr wichtig, und genau dies ist bei mir und KRT der Fall. Als es dann darum ging, den Vertrag zu verlängern, musste ich nicht zweimal überlegen oder taktische Spiele spielen. Ich bin aktuell sehr glücklich mit meinem Leben, sei dies auf der Rennstrecke oder zu Hause, und möchte genau so weitermachen und versuchen, weiter zu gewinnen.
Aber glaube mir, wir müssen weiter hart für den Erfolg arbeiten. Aktuell gewinnen wir und sind die Referenz für andere Fahrer und Teams. Kawasaki muss weiter an der Entwicklung der Ninja ZX-10R arbeiten und ich muss alles dafür tun, mit diesem Bike die Plätze einzufahren, welche es verdient.“
An der Spitze zu stehen, bereitet sicher viel Druck. Wie gehst du damit um?
„Seit Anfang meiner Karriere musste ich mit dem Interesse der Medien umgehen. Ich nahm am Red Bull Rookies Programm teil, welches viel Aufmerksamkeit erhielt, dann folgte die British Superbike und ich war der aufstrebende Fahrer, welcher für bekannte Teams fuhr. Mit der Zeit lernt man, Abstand zu nehmen von Dingen, die um einen passieren und konzentriert sich auf sich selbst und seinen Job.
Ein gutes Beispiel dazu: Im Rennsport kann man ein schlechtes Wochenende haben, aber am Ende des Tages muss man versucht haben, sein Bestes zu geben. Wenn man alles versucht hat, aber es klappt einfach nicht, dann ist dies ok. Das ist etwas, dass man aus meiner Sicht seinen Kindern mit auf den Weg geben sollte – versuche immer, dein Bestes zu geben.
Ich habe zu Beginn meiner Karriere viel mit Sportpsychologen zusammengearbeitet, weil ich als Fahrer immer dachte “aber was ist wenn…?”. Ich habe mein Bestes im Qualifying gegeben, stehe in der ersten Reihe, aber was ist, wenn ich einen schlechten Start habe? Über die Jahre habe ich gelernt pragmatisch damit umzugehen. Wenn ich A, B und C gemacht habe und meine Sterne günstig stehen, dann werden wir einen guten Job machen. Das ist alles, was man machen kann. Am Ende des Tages kannst du nicht jedes Rennen gewonnen haben, aber eine konstante Leistung über die ganze Saison hilft oft, einen Titel zu gewinnen.
Was meine Persönlichkeit angeht, bin ich recht ausgeglichen. Ich bin nicht der Typ, welcher lauter wird, wenn ein Weekend erfolgreich war. Auf der anderen Seite bin ich auch nicht völlig am Boden zerstört, wenn es einmal nicht läuft. Wenn du an dich und deine Möglichkeiten glaubst, wird es schon gut kommen.“
Was denkst du über den Status der Superbike Weltmeisterschaft?
„Ich denke, dass die Meisterschaft aktuell sehr attraktiv ist. Es sind zahlreiche Hersteller involviert und jeder hat die Chance zu gewinnen. Wenn man dies mit der Formel 1 vergleicht, ist das viel spannender für die Zuschauer, denn dort dominiert klar ein Hersteller. Aus diesem Grund bin ich gerne in dieser Serie und es motiviert mich besonders, nicht nur für mich, sondern auch für Kawasaki zu gewinnen.
Die Organisatoren haben einen guten Job gemacht und fördern die Interaktion zwischen den Zuschauern und den Fahrern. Die Fans haben in der Paddock Show die Möglichkeit, ihren Idolen nahe zu kommen und dies ist etwas, was ich besonders schätze. Ich beantworte gerne die Fragen der Fans, nicht nur live vor Ort, sondern auch auf meinen Social Media Kanälen.“
Du hast die Superbike Weltmeisterschaft gewonnen und dich in den Geschichtsbüchern eingetragen. Wenn du 2017 wählen könntest, möchtest du erneut Superbike Champion werden, die Tour de France gewinnen oder Motocross Weltmeister werden?
„Hmmm… ich würde mich für die Motocross Weltmeisterschaft entscheiden. So könnte ich dieses Jahr versuchen, erneut Superbike Weltmeister zu werden und dann zurück zu meinen Wurzeln gehen. Als ich jung war, ist Jean-Michel Bayle eines meiner Idole gewesen. Er fuhr sowohl 500cc Grand Prix wie auch Motorcross- und Supercrossrennen, das war sehr cool.
Aber wie wir alle wissen, ist Motorradrennsport ein Geschäft und man kann nur bedingt seine Zukunft bestimmen. Deshalb bin ich sehr glücklich, zu wissen, was ich die nächsten zwei Jahre tun werde. Wenn ich dann eines Tages nicht mehr selbst aktiv Rennen fahren werden, möchte ich trotzdem noch mit dem Sport verbunden bleiben. Eine Idee von mir ist es, mit jungen Talenten zu arbeiten und ihnen den Einstieg in den Sport zu vereinfachen. Ich habe in meiner Karriere viel gelernt und es wäre schade, wenn ich dieses Wissen nicht weitergeben könnte. Ich denke bereits darüber nach, wie und was ich machen könnte, wenn der Tag des Rücktritts gekommen ist. Doch vorerst freue ich mich auf die Titelverteidigung und die nächsten Jahre mit Kawasaki.“
Jonathan Rea – Donington Park 26 Mai 2016